Der international renommierte Architekt Hadi Teherani prägt mit seinen signifikanten Bauten Stadtbilder im In- und Ausland. Sein ganzheitlicher Entwurfsansatz kommt dabei auch im Kontext mit Fassaden zum Tragen. Eine „perfekte“ Fassade ist für Teherani nicht nur funktional, sondern spricht auch emotional an und ist damit weit mehr als die bloße Hülle eines Gebäudes. Im Rahmen der Messe BAU 2017 in München inszenierte er mit seiner Firma Hadi Teherani Design im Zentralbereich des Standes von AGROB BUCHTAL den Baustoff Keramik im Allgemeinen und Keramik für Fassaden im Besonderen. Wir sprachen daher mit ihm über zeitgemäße Gebäudehüllen und die Möglichkeiten, die Keramik dafür offeriert.
Katharina Sommer: Die Hülle eines Bauwerks trägt maßgeblich zu dessen Identitäts-Bildung bei. Was macht eine „perfekte Fassade“ in Ihren Augen aus?
Hadi Teherani: Das Bild des Gebäudes im Straßenraum manifestiert den Inhalt der Architektur und den Anspruch, der an sie gestellt wird. Die Fassade liefert damit nicht allein die notwendige bauphysikalische Abschirmung, sondern sie bringt im Zusammenspiel mit der Form und den Öffnungen des Gebäudes die komplexe architektonische Zielsetzung zum Ausdruck. Ein Passant, der keine Gelegenheit hat, das Innere des Gebäudes kennenzulernen, kann einen Eindruck davon gewinnen, was hinter der Fassade vor sich geht. Die Qualität im Inneren wird im äußeren Erscheinungsbild sichtbar und spürbar. Der Anspruch an die Fassade umfasst damit das gesamte ganzheitliche Spektrum der Architektur.
Katharina Sommer: Können Sie an Hand eines Ihrer Projekte erläutern, welche Rolle die Fassadengestaltung in Ihrer Arbeit spielt?
Hadi Teherani: Es gibt keine logische Trennung zwischen verschiedenen Entwurfs- und Planungsphasen. Mit den allerersten Ideen ist auch die Fassade schon mit im Spiel, ebenso wie erste Vorstellungen zu Raumkonfiguration und Interior Design. Wie in einer musikalischen Komposition lassen sich einzelne Passagen nicht für eine spätere Bearbeitung vorläufig ausklammern. In unterschiedlichen Projektphasen variieren lediglich die Bearbeitungstiefen. Bei den Tanzenden Türmen in Hamburg musste die Fassade die Gebäudedynamik wie selbstverständlich umsetzen. Bei den Kranhäusern in Köln bestand die Aufgabe von Anfang an darin, die unterschiedlichen Typologien der Hochhäuser zu veranschaulichen, aber auch die Gesamtwirkung des dreiteiligen Ensembles.
Katharina Sommer: Sie vertreten einen ganzheitlichen Ansatz, der von der Architektur bis hin zu den Details sowie einzelnen Designprodukten reicht, die Sie jeweils ausgehend von der Architektur entwickeln. Wie erfolgt in Ihrem Büro die Konzipierung einer Fassade?
Hadi Teherani: Mit der Entwurfsidee steht von Anfang fest, in welche Richtung wir die Fassade entwickeln wollen. Das Konzept leitet sich aus dem Innenraum und dem städtebaulichen Zusammenhang ab. Gerade die Materialität der Fassade muss die vorhandene Umgebung reflektieren. Das heißt nicht, dass die einzig richtige Lösung grundsätzlich in der Anpassung besteht. Variation und Kontrast sind weitere sinnvolle Möglichkeiten, sofern der Entwurf die Voraussetzungen dafür aus der Aufgabenstellung mitbringt.
Katharina Sommer: Bezüglich Wahl und Einsatz von Materialien in der Fassadengestaltung – ob klassische, traditionelle Werkstoffe oder moderne, ausgefallene Lösungen – sind heute immer weniger Grenzen gesetzt. Welche Materialien und Funktionen reizen Sie bei der Fassadenplanung besonders?
Hadi Teherani: Neue Materialien reizen immer. Fortschritte in der Entwicklung der Materialien ermöglichen neue Freiheiten in der Gestaltung. Davon ist jeder Architekt und Designer fasziniert. Glas, dessen Transparenz regelbar ist, reduziert den Wärmeeintrag auf ein Minimum. Corian ermöglicht eine neue leichte Ästhetik und eine subtile Beleuchtung. Bei Keramik faszinieren mich die dreidimensionalen Strukturen, Oberflächen, Farben und Texturen. Damit eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, um den aus energetischen Gründen zwangsläufig höheren Anteil geschlossener Fassadenflächen zu gestalten.
Katharina Sommer: Welche Prämisse gilt für Sie im Zusammenhang mit Fassaden? „Form follows Function“ oder „Function follows Form“? Oder anders formuliert: Legen Sie den Fokus primär auf kreative Ästhetik oder spielen Funktionserfüllung und die Einbindung in das urbane bzw. ländliche Umfeld eine Rolle?
Hadi Teherani: Anders als der Künstler steht der Architekt stets vor der Aufgabe, dem Alltagsgebrauch eine Form und einen Rahmen zu geben. Wenn man dafür eine griffige Gleichung sucht, kann das nur „Form follows Function“ sein. Trotzdem geht es dabei auch um die Form, um Emotion, Ausstrahlung und Identität. Identitätsstiftende Gebäude verlangen eine eindeutig definierte, anschauliche Architektur mit funktionalen Vorteilen, aber vor allem emotionaler Ausstrahlung. Überzeugende Architektur ist darum immer auch Form gewordene Sinnlichkeit.
Katharina Sommer: Techniken wie der Digitaldruck eröffnen verblüffende und nahezu unbegrenzte ästhetische Möglichkeiten. Dies gilt auch und gerade für keramische Fassaden. Bevorzugen Sie dabei projektspezifische Sonderfertigungen oder arbeiten Sie auch mit hochwertigen Standardlösungen oder sehen Sie eine „friedliche Ko-Existenz“ beider Denkschulen?
Hadi Teherani: Das hängt immer von der jeweiligen Situation und Aufgabenstellung ab. Schon die Möglichkeiten der Standardlösungen schaffen im Detail einen sehr weiten Spielraum. Man muss also nicht in jedem Fall mit einer absoluten Neuheit oder Sonderfertigung arbeiten. Trotzdem liegt es mitunter nahe, die Möglichkeiten des Materials weiterzuentwickeln, wenn eine besondere Bauaufgabe oder Situation Anlass dafür geben..
Katharina Sommer: Für die Messe BAU 2017 in München inszenierte Hadi Teherani Design an zentraler Stelle des Standes von AGROB BUCHTAL den Baustoff Keramik im Allgemeinen und Fassadenkeramik im Besonderen. Was fasziniert Sie an diesem Material?
Hadi Teherani: Keramik vermittelt in seiner Elementierung und in seiner steinernen Anmutung den tektonischen Ansatz der Architektur in besonderer Weise. Es ist ein dauerhaftes, hartes und sehr resistentes Material von hoher haptischer Wertigkeit, dabei aber dennoch sehr ursprünglich und natürlich.
Katharina Sommer: Im Rahmen dieser Inszenierung haben Sie sich intensiv mit Rohstoffen zur Herstellung von Keramik, deren Verarbeitung sowie den vielfältigen Endprodukten auseinandergesetzt. Welche neuen Aspekte und Erkenntnisse konnten Sie dadurch in Bezug auf keramische Fassaden entdecken?
Hadi Teherani: Überraschend ist die Vielfalt der Verfahren zur Herstellung von Keramikfassaden und der gänzlich unterschiedliche Ausdruck, der dabei entsteht. Das Spektrum reicht von planen Großformaten über strukturierte Profile bis zu speziellen Individualformen. Bei den Oberflächen gehört die raue Tonoptik ebenso zum Programm wie farbig glasierte Lösungen in unterschiedlichen Glanzgraden oder raffiniert gedruckte Designs.
Katharina Sommer: Gibt es bestimmte Gebäudetypen bzw. „Situationen“, für die Sie sich Keramikfassaden vorstellen könnten?
Hadi Teherani: Gerade bei großen geschlossenen Flächen von Museen, Einkaufswelten und Wohngebäuden erlaubt die Keramik einen Weg zurück zu einer filigranen Kleinteiligkeit und Proportionalität, die bei großen „monumentalen“ Projekten schnell verlorengeht. Der besondere Reiz liegt für mich aber auch im edlen, besonders anspruchsvollen und dauerhaften Auftritt dieses Materials.
Katharina Sommer: Keramik zählt zu den ältesten Materialien überhaupt. Zugleich ist es ein innovativer Werkstoff, der z. B. in der Raumfahrt eingesetzt wird und durch besondere Eigenschaften besticht. Welche Potentiale sehen Sie in der Zukunft für den Einsatz von Keramik im Baubereich?
Hadi Teherani: Nachhaltigkeit bleibt das große Thema unserer Zeit, der natürliche und langlebige Werkstoff Keramik bewährt sich in dieser Disziplin sehr gut. Die große Offenheit für freie, innovative Strukturen und Oberflächen erlaubt sogar hochgradig individualisierte Ausführungen. Besonders interessant finde ich die Veredelung „HT“ von Agrob Buchtal, die Luftschadstoffe abbaut und so jedes Gebäude zu einer Art „vertikalem Stadtwald“ macht. Denn der Architekt muss ganzheitliche Lösungen finden, er muss Städtebau, Ökologie, Ökonomie, Identität und Emotion gleichrangig berücksichtigen.
Das Interview führte EINSATEAM, Berlin (Katharina Sommer)